Unsereiner ist ja groß geworden mit dem guten Gewissen dass Kino klug macht und Fernsehen doof ist. Bis auf die Sportschau, Dominik Graf, Harald Schmidt und einige Tatorte natürlich. Dann war da noch das nervige Zwischenspiel mit Video und CD – und jetzt, da sich alle endgültig auf youtube und bei facebook zu Tode amüsieren, soll auf einmal Schluss mit den ehernen Gewissheiten sein. Ja, selbst die Fundamentalisten unter den Gegnern des US-Bilder-Imperialismus konstatieren, dass amerikanische TV-Serien an große Literatur gemahnen und sogar so etwas wie Konzentration verlangen und kein Bügeln nebenbei. Nur noch bildungsferne Sofakartoffeln gehen ins Popcorn-Kino, finden 3D-Spektakel, Fantasy und Videospiel-Verfilmungen eine Augenweide und glotzen auf die Liegestütze der Bohlens und Lanzens. Der coole Avantgardist fühlt sich bei Mad Men, den Sopranos oder The Wire zuhause. Als lässiger Serienjunkie fährt er ein Designer-Bike, hat als Austausch-schüler in Maine Englisch gelernt, spielt mit einem schnieken Apple-pod – und zieht sich seinen US-Serien-Stoff spätestens seit 24 und Sex in the City entweder von der DVD oder aus dem Netz. Selbst Intellektuelle haben auf einmal wieder Tele-Visionen und die knurrigsten Kultur-Spaßbremsen widmen sich in langen Feuilleton-Elogen mit einem Enthusiasmus Six Feet Under , The News Room, Game of Thrones, West-Wing… der früher einmal für Werner Herzog oder große Literatur reserviert war. Christoph Dreher beschrieb die „broadcast literature“ als „komplexe und profunde Werke, die zum ersten Mal in der Filmgeschichte so etwas wie ein Äquivalent zu großen epischen Romanen der Weltliteratur darstellen“ (Spex 07/2007). – Barbara Schweizerhof formulierte schon vor zwei Jahren, dass The Wire „weniger eine Polizeiserie als vielmehr der Roman einer Stadt“ ist (Gesendete Literatur, in: Der Freitag, 06.08.2010).