Filmpolitischer Informationsdienst Nr. 233, April/Mai 2013

Von Katharina Dockhorn

Natascha Kampuschs Schicksal hat Millionen in aller Welt bewegt, doch dies sprach nicht alleine für die filmische Adaption der Biographie der Österreicherin in Englisch. Trotz intensiven Castings fand Regisseurin Sherry Hormann im deutschsprachigen Raum keine auf die Rollen passenden Schauspieler. Sie entschied sich für die Irin Antonia Campbell-Hughes und den Dänen Thure Lindhardt – beide sprechen nicht flüssig deutsch. „Es war eine kreative und kommerzielle Entscheidung“, betont Martin Moszkowicz, das letzte Drehbuch seines langjährigen Freunds Bernd Eichinger nicht in Deutsch verfilmen zu lassen. Die Entscheidung begünstigte den kommerziellen Erfolg. 3096 Tage wurde in knapp 30 Länder verkauft. Natürlich entsteht auch der 3D-Action-Abenteuerfilm Pompeji, das neue internationale Großprojekt der Constantin Filmproduktion, in Englisch. Schon 2011 hatte Martin Moszkowicz in Cannes das Budget von mehr als 100 Millionen US-Dollar über Vorverkäufe zusammen. In diesen Tagen fiel die erste Klappe für den Film von Paul W. S. Anderson in Toronto. Jared Harris, Emily Browning und Kiefer Sutherland stehen vor der Kamera des Historien-Epos um den Untergang der Stadt nahe des Vesuv.

In der einheimischen Filmproduktion macht sich Martin Moszkowicz eher für die deutsche Sprache stark, insbesondere in der Filmförderung. „Die Projekt-Fördermittel sollten vordringlich für Filme eingesetzt werden, die in deutscher Sprache entstehen und sich auf dem kleinen Binnenmarkt behaupten müssen.“ Wolfgang Börnsen, filmpolitischer Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion, nahm den Vorschlag auf. „Wir dürfen die Verantwortung für die eigene Sprache nicht vergessen und müssen den Filmschaffenden aus dem eigenen Land mit der Förderung Perspektiven geben.“

Nur Christoph Fisser, Geschäftsführer der Studio Babelsberg, ist von dem Vorschlag nicht begei¬stert. Ein George Clooney, der gerade The Monuments Men in Babelsberg dreht, kommt nicht ohne den DFFF. Für den Film hat das Studio auch Fördermittel bei der Medienboard beantragt, da Clooney die ursprünglich für London geplanten Studiodrehs nach Babelsberg verlegt hat und den Dreh in Österreich zu Gunsten von Sets in Deutschland cancelte. „Ein Großteil der internationalen Produktionen wäre ohne die Regionalförderungen nicht nach Deutschland gekommen, nur die Studios verzichten teilweise auf diese“, stellt Christoph Fisser klar. .Martin Moszkowicz, den ich sehr schätze, hat selbst oft genug gesagt, dass zum Beispiel Die Musketiere ohne die Regionalför¬derungen nicht hätten in Bayern und Babelsberg gedreht werden können.“

Fisser glaubt nicht, dass sich Moszkowicz’ Idee durchsetzt, daher nahm er im Februar eine Wette an. Die Regelung der Bevorzugung der deutschen Sprache wird keinen Eingang in die Fördergesetze finden, so der Babelsberger. „Eventuell hat sich Martin durch seine vielen Auslandsproduktionen zu weit von den Filmschaffenden in Deutschland entfernt, um deren Bedürfnisse richtig einschätzen zu können,“ denkt er. Der Münchner hält dagegen – er ist fest davon überzeugt, dass sich seine Idee durchsetzen kann. Und er hat offensichtlich schon Politiker auf seiner Seite.

Aus der Wette könnten beide als Sieger hervorgehen. Martin Moszkowicz schwebt nicht vor, internationale Großprojekte aus Deutschland zu verdrängen. Er will die Förderziele der einzelnen Töpfe eindeutiger formulieren und sie auf Filme konzentrieren, die wirklich in Deutschland gedreht werden und Arbeitsplätze schaffen. Sein Vorschlag ginge zu Lasten von Filmen wie Circles von Srdan Golubovic, der gerade in Sundance erfolgreich war, Das Mädchen Wadjda, Teilnehmer beim Filmfestival in Venedig, oder zu Lasten des kasachisch-deutschen Berlinale-Wettbewerbsbeitrag Uroki Garmoni. Und Michael Hanekes L´Amour – Förderer und Politiker könnten sich nicht mehr im Oscar-Glanz sonnen. „Ich glaube, dass alle Produzenten, die internationale Koproduktionen umsetzen, von Martins Vorschlag wenig begeistert wären. Außerdem spricht diese Idee komplett gegen die Interessen der Länder“, fürchtet Christoph Fisser.

Viele dieser Filme sind weltweit Festivalerfolge, im deutschen Kino reüssieren sie nur selten, wie eine Studie der Produzentenallianz zeigt. Oft beschränkt sich die deutsche Beteiligung an Koproduktionen auf die Arbeit des Produzenten, nur selten wird durch die Steuer- oder Branchenmittel die Arbeit von weiteren kreativen Deutschen unterstützt. Eine der wenigen Ausnahmen ist Das Mädchen Wadjda; bei diesem Film stammte angefangen von Kameramann Lutz Reitemeier die gesamte Crew aus Deutschland. Dies könnte wohl neben der Sprache zu einem weiteren Kriterium werden, das regionalen Filmförderern künftig ihre Entscheidungen erleichtern würde.

Die großen amerikanischen Produktionen will Martin Moszkowicz ganz aus der Förderung von FFA und regionalen Förderern herausnehmen. Die Summen seien zu gering, um die Entscheidung zu forcieren, ob ein Projekt in der Deutschland realisiert werde. Dem stimmt Christoph Fisser zu. Der bürokratische Aufwand sei hoch, und insbesondere die Hollywood-Studios öffnen ungern die Bücher für die Förderung. Die Produzenten von Hänsel & Gretel Hexenjäger haben deshalb auf einen Antrag beim Medienboard Berlin-Brandenburg verzichtet.

Aber wie das Beispiel Clooney zeigt, fallen auch mal einige Hunderttausend Euro ins Gewicht. Zudem weist Fisser darauf hin, dass Bayern für 2013/2014 ein Sonderprogramm zur Förderung des Drehs von internationalen Filmproduktionen aufgelegt hat, das mit sechs Millionen Euro ausgestattet ist. Das Medienboard müsse mithalten. Martin Moszkowicz sieht darin keinen Widerspruch, gerade Berlin-Brandenburg war über die Landesbanken Vorreiter von Modellen, die internationale Gro߬projekte anlocken. Der Münchner will für sie den DFFF stärken, der vom Volumen her im inter¬nationalen Wettbewerb um Steueranreize für vagabundierende Großproduktionen im unteren Drittel rangiere. „Andere Länder treten im Wettbeerb aggressiver auf.“ Die automatische Kappungsgrenze von jetzt vier Millionen Euro je Film sieht er wie Fisser als Hemmschuh – zehn Millionen könnten es auch für ihn sein. Der Studio Credit von 20% sei im internationalen Maßstab vertretbar, andere Länder hätten aber massiv bei der Förderung von visuellen Effekten aufgerüstet. So gewährt Kanada einen High Tech Credit von bis zu 45%. „Diese zukunftskräftige Branche bei uns stärker zu fördern, wäre wirtschaftspolitisch sinnvoll. Dort entstehen saubere, umweltverträgliche Arbeitsplätze,“ so Martin Moszkowicz. Rund 40 Millionen Euro gibt er bei Pompeji für Visual Effects aus. „Wir haben versucht, den Film für Berlin zu finanzieren. Das war nicht möglich.“

Wenn der DFFF und Länder-Sonderfonds die Instrumente wären, um internationale Projekte ins Land und hochbudgetierte deutsche Film im Land zu halten, könnten sich FFA und regionale Institutionen auf die Förderung von Filmen in deutscher Sprache konzentrieren. „Europarechtlich ist das mehr als bedenklich“, wirft Christoph Fisser ein, der überzeugt ist, dass diese Idee keine Zukunft hat. Wolfgang Börnsen weiß ebenso um die Probleme mit der EU. Er plädiert für eine Art Selbstverpflichtung der deutschen Förderer und Fernsehsender, Drehs in deutscher Sprache von einheimischen Filmemachern zu bevorzugen. Einen ersten Schritt in diese Richtung ist bereits German Films gegangen. Insgesamt 400.000 Euro können von der Organisation ausgegeben werden, um die Promotion deutscher Filme im Ausland finanziell zu unterstützen. Liegen mehr Anträge vor als Geld vorhanden ist, ist die deutsche Sprache eines der Kriterien, die den Ausschlag geben.

Und natürlich will Moszkowicz wie auch viele Filmkritiker an die Kriterien für den Deutschen Filmpreis heran – nach Anonymous von Roland Emmerich im vergangenen Jahr sorgt die neun¬malige Nominierung von Cloud Atlas im Moment für Verwunderung. Cloud Atlas ist in der Tat ein Präzedenzfall – im Gegensatz zu Emmerichs Shakespeare-Drama war die Regie zwischen Tom Tykwer und den Wachowskis geteilt. Die Deutsche Filmakademie und das BKM ließen die Science-Fiction-Utopie für die diesjährige Auswahl für den Deutschen Filmpreis zu.

Damit ein Film wie Cloud Atlas mit einem Budget von 100 Millionen Euro künftig nicht mehr mit deutschem Arthouse-Kino konkurriert, müsste sich die Filmakademie wohl dem Vorschlag von Hanns-Georg Rodek in der ‚Welt’ anschließen. Der plädiert für eine Veränderung des ersten Nominierungskriteriums, dass die Originalsprache deutsch oder der/die Regisseur/in Deutsche(r) oder dem deutschen Kulturkreis zuzurechnen sei. Aus dem ersten oder müsse nur ein und werden. Für Christoph Fisser ist die Benachteiligung seiner Filme ebenso ein altes Thema. Er kann kaum nachvollziehen, warum Der Pianist oder Der Vorleser vom BMI/BKM nicht für die ‚Lola’ zugelassen wurden. Der Mittelweg könnte einfach sein. Neben den ‚Lolas’ für deutschsprachige Filme könnte ein Preis für Koproduktionen geschaffen werden, bei denen mehr als deutsches Geld im Spiel ist. Dort könnten dann Filme wie Die drei Musketiere, Black Book, Operation Walkyrie und Das Mädchen Wadjda konkurrieren. Und die einheimischen Kreativen hätten alle eine Chance auf eine dotierte Nominierung für den Deutschen Filmpreis.