Filmpolitischer Informationsdienst Nr. 234, Juni 2013

Von Ellen Wietstock

Zugegeben, es ist sicher nicht einfach, sich etwas Frisches für eine Preisverleihung einfallen zu lassen. Fred Kogel, in diesem Jahr für die Verleihung des Deutschen Filmpreises im Friedrichstadtpalast verantwortlich, wollte eine schicke Fernsehshow hinlegen. Heraus kam allerdings nur ein Griff in die Mottenkiste mit feuchten Knallern, die alle nicht zündeten: Tillergirls, Twitterwitze, eine ahnungslose Moderatorin namens Mirjam Weichselbraun, die auch noch ihre Unkenntnis zum Thema des Abends machte – nein danke. Wie wäre es denn, einmal Leute als Moderator auszuprobieren wie Michael Gwisdek, Heinrich Schafmeister, Leander Haußmann, Roger Willemsen oder Christoph Maria Herbst nach dem Motto, schlau ist das neue sexy.

Trotz allem – der Abend bot einige emotionale Höhepunkte. Zwei Konkurrenten umarmen sich, richtig lang und richtig schön: Vater und Sohn, Michael Gwisdek und Robert Gwisdek, nominiert in der Kategorie ‚Beste Nebendarsteller’. Dem Sohn steht noch eine große Karriere bevor, dem Vater wäre unbedingt eine Hauptrolle zu wünschen. Bettina Brokemper von der Kölner Produktionsfirma Heimatfilm freute sich wie eine Schneekönigin über die mit 425.000 € dotierte ‚Silberne Lola’ für Hannah Arendt. Sie produziert bzw. koproduziert und betreut seit zehn Jahren konsequent radikales Autorenkino von Lars von Trier, Christoph Hochhäusler, Semih Kaplanoglus und Eran Riklis.

Filmakademie-Präsidentin Iris Berben gab mit der Laudatio für den diesjährigen Ehrenpreisträger Werner Herzog ihr Bestes. Der bedankte sich auch höflich bei den Mitgliedern der Filmakademie – und doch hatte das Ganze einen falschen Ton. Schon die Entscheidung ist ein wenig heuchlerisch, denn man würdigte einen Regisseur, der gewissermaßen nach dem Autorenfilm-Bashing Anfang der 1990er-Jahre ins Exil gegangen ist. Bei der derzeitigen Beschaffenheit der deutschen Filmbranche könnte Werner Herzog wohl kaum die Filmprojekte realisieren und die Rolle für den künstlerischen Filmnachwuchs spielen, die er heute in den USA einnimmt.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann wird nicht müde, immer wieder zu betonen, wie demokratisch der Auswahlprozess für den Filmpreis funktioniere. Aber hinter den Kulissen herrscht große Unzu-friedenheit, die sich unter anderem darin äußert, dass wichtige Leute gar nicht mehr an der Gala teilnehmen – sei es aus Verärgerung darüber, dass ihr Film nicht ausgewählt bzw. nominiert wurde, oder einfach aus mangelndem Interesse. Christian Petzold beispielsweise hielt an diesem Abend im Berliner Kino Arsenal einen Vortrag über die Filmkritikerin Frieda Grafe.

Berechtigter Unmut kommt auf, wenn auf der Nominierungsliste für die Kategorien ‚Produzentenpreise für Spiel- und Dokumentarfilme’ zwei Firmen gleich zweimal auftauchen: X Filme (Stefan Arndt) mit Cloud Atlas und Quellen des Lebens sowie Zero One film (Thomas Kufus) mit More than Honey und Die Wohnung. Es mangelte nicht an mindestens gleichwertigen Filmen. Zur Auswahl standen zum Beispiel Gnade von Matthias Glasner, Was bleibt von Hans Christian Schmid und Revision von Philip Scheffner. Für Außenstehende nur schwer nachvollziehbar ist außerdem die Zulassung von Koproduktionen zum Deutschen Filmpreis (wie Cloud Atlas), insbesondere, wenn es sich um minoritäre Koproduktionen handelt (wie More than Honey). Alles Demokratie?

Und was sagt der Hauptpreis in Höhe von einer halben Million Euro für Oh Boy aus? Ein etwas anderer Debütfilm wird zur künstlerischen Sensation hochgejubelt. Man gönnt den beiden Produzenten Marcos Kantis und Alexander Wadouh von Schiwago Film diese Auszeichnung von Herzen, aber bringt sie auch den Regisseur Jan Ole Gerster weiter? Schiwago Film produziert jetzt mit der Produktionsfirma StudioCanal die Kinokomödie Desaster. Regie und Hauptrolle übernimmt Justus von Dohnányi.