Aus: black box 276, September 2018
Von Ellen Wietstock
Es ist wohl das erste Mal, dass die Verantwortlichen der Filmförder-Institutionen eine gemeinsame Erklärung herausgeben. In ihrer Stellungnahme vom 30. September 2018 zum Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks heißt es:
„Die deutschen Filmförderer erkennen die Notwendigkeit an, die Akzeptanz des Rundfunkbeitrags durch geeignete Reformen an Auftrag und Struktur des öffentlichen Rundfunks zu erhalten. Sie nehmen jedoch auch die Sorgen der Filmwirtschaft ernst, dass solche Reformen nicht zu einer Einschränkung des Programbereichs Unterhaltung und damit sinkenden Produktionsvolumina führen dürfen. Unterhaltung ist ein unverzichtbarer und untrennbarer Bestandteil unserer Kultur anspruchsvolle Unterhaltung ¬ und mit ihr Filme und Serien – ist seit jeher das Markenzeichen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Das gilt im Besonderen für den Film, in dem zeitgeschichtlich und gesellschaftspolitisch relevante Zusammenhänge in unterhaltsamer Form vermittelt werden. Eine Reduzierung des Unterhaltungsangebotes der öffentlich-rechtlichen Sender würde unweiger¬lich zu einem fortschreitenden Rückgang des Zuschauerinteresses führen. …
Eine Abwertung der Unterhaltung im Sendeauftrag und die Beschränkung von Unterhaltungs¬angeboten hätte zudem gravierende wirtschaftliche Folgen für die Leistungsfähigkeit der deutschen Filmwirtschaft, da die öffentlich-rechtlichen Sender nicht nur über Eigenproduktionen, sondern auch als Koproduzent für Kinofilme seit Jahrzehnten ein elementarer Partner der deutschen Filmwirtschaft sind. Viele bedeutsame Produktionen, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell im In- und Ausland erfolgreich waren, wären ohne die Beteiligung des Fernsehens nicht realisierbar gewesen. . . .“
Unterzeichnet haben diese Stellungnahme Peter Dinges (FFA), Dorothee Erpenstein (FilmFernsehFonds Bayern), Kirsten Niehuus (Medienboard Berlin Brandenburg),
Petra Müller (Film- und Medienstiftung NRW), Claas Danielsen (Mitteldeutsche Medienstiftung MDM), Maria Köpf (Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein), Carl Bergengruen
(MFG Baden-Württemberg), Joachim Mendig (HessenFilm und Medien) und Thomas Schäffer (nordmedia Film- und Mediengesellschaft).
Die miteinander konkurrierenden Förderer in plötzlicher Einigkeit – mit wem bzw. gegen wen verbünden sie sich hier? Sie verbünden sich gegen die Filmemacher und Produzenten, die eine Entkoppelung von Kino und Fernsehen wollen, und paktieren mit einem öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das mit einer Dreistigkeit sondergleichen in die Kassen der Länderförderer greift. Sie verbünden sich gegen die Arthouse-Kinos, die auf ausreichend finanzierte, bemerkenswerte und ungewöhnliche deutsche Filme warten.
Warum hält sich so hartnäckig die in der Stellungnahme enthaltene Behauptung, dass viele bedeut¬same Produktionen ohne die Beteiligung des Fernsehens nicht realisierbar gewesen wären? Das Gegenteil ist richtig: Nicht das Fernsehen fördert das Kino, sondern die ursprünglich zur Her¬stellung von Kinofilmen eingerichtete Filmförderung alimentiert das Fernsehen, und zwar mit erheblichen Summen (Tendenz steigend): Die ARD-Serie Babylon Berlin wurde für die Staffeln
1 bis 3 mit insgesamt 15.3 Mio. Euro subventioniert, und zwar vom Medienboard Berlin-Branden¬burg mit 3.3 Mio. Euro, von der Film- und Medien-Stiftung NRW mit 3.2 Mio. sowie mit
8.7 Mio. Euro aus dem German Motion Picture Fund des Wirtschaftsministeriums, der passgenau auf Serienproduktionen zugeschnitten wurde. Die ZDF-Serie Bad Banks erhielt vom Medienboard 500.000 Euro und vom German Motion Picture Fund 750.000 Euro. Die Film- und Medienstiftung NRW förderte den ARD-Mehrteiler Unsere wunderbaren Jahre mit 1.5 Mio. Euro, um nur einige Beispiele zu nennen.
Die Bekräftigung des bestehenden Kino-Koproduktionsmodells von Seiten der deutschen Film¬förderer ignoriert den Widerstand der unabhängigen Filmemacher gegen die Regelung, dass die Voraussetzung für eine Produktionsförderung der Länder die Beteiligung eines Senders ist – selbst wenn der Koproduktionsanteil für einen langen Spielfilm mit renommierter Regie mittlerweile bei 50.000 € und darunter liegen kann.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Es geht hier nicht darum, die öffentlich-rechtlichen Sender aus der Pflicht zu entlassen, deutsche Kinofilme auszustrahlen. Wie die dringend notwendige Trennung von Kino und Fernsehen aussehen kann und wie das Filmfördersystem insgesamt sinn¬voll umgestaltet werden muss, ist in dem Frankfurter Positionspapier hinreichend beschrieben: Die öffentlich-rechtlichen Sender kaufen für einen bestimmten prozentualen Anteil ihres öffentlich erhaltenen Budgets (Haushaltsabgabe) Filme an. Wo im Kampf um die Neugestaltung der Film¬förderung die Konfliktlinien verlaufen, wird sich im Dialog der Branche mit den derzeit Verant¬wortlichen der Filmförderinstitutionen zeigen. Und sie werden sich mit den Forderungen beschäf¬tigen müssen, daran führt kein Weg vorbei. Aussitzen ist nicht.